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Muhammed wird falsch gekannt

Prophet Muhammed als Gewalttäter?

Kriegsheld Muhammed? Vorbild für islamische Terroristen

Von Hüseyin Topel

„Es gibt einige Koranverse, die in der Tat, wenn man sie zusammenhanglos liest, sehr aggressiv erscheinen.“
Islamische Terroristen berufen sich bei ihren Gräueltaten gern auf Mohammed als Vorbild. Diese Darstellung stößt bei vielen Muslimen aber auch auf heftigen Protest.

„95 Prozent der ersten Bücher über die Historie und Chronologie des Islam behandeln den Krieg. Die Kriege waren leider für die damalige Zeit die Meilensteine. Das gehört zur Erfolgsgeschichte in der Anfangszeit des Islam.“

Der türkische Historiker und Bestsellerautor Resit Haylamaz hat bei seiner Forschungsarbeit herausgefunden, dass die ersten muslimischen Chronisten eine besondere Vorliebe für Heldengeschichten hatten. Deshalb wird Muhammed in der frühen Zeit überwiegend als Kriegsheld dargestellt. Diese Literatur ist dann von Anfang an sehr populär in der islamischen Welt gewesen.

Aber nicht nur die Heldenverehrung Muhammeds hat dazu beigetragen, dass der Islam in seiner Geschichte auch immer wieder mit Krieg und Gewalt in Verbindung gebracht wurde. Für Professor Bülent Ucar, Inhaber des Lehrstuhls für islamische Theologie an der Universität Osnabrück, hat auch ein unsachgemäßer Umgang mit dem Koran zu diesem Image beigetragen und tut es auch heute noch.

„Es gibt einige Koranverse, die in der Tat, wenn man sie zusammenhanglos liest, sehr aggressiv erscheinen. Tatsächlich sind diese Koranverse, wenn man sie kontextuell richtig adressiert und in den historischen Zusammenhang verortet, an die jeweilige, konkrete Kriegssituation zugeschnitten und sind letztlich Aufforderungen zur Verteidigung der Muslime selbst. Interessant ist, dass diese Koranverse, heute in unserer Gegenwart einerseits von muslimischen religiösen Extremisten, aber anderseits auch von bestimmten Islamhassern hier im Westen, in Europa, als Beleg für die Gewaltverherrlichung des Islams genommen werden.“

Um deutlich zu machen, dass die Kriegsführung eigentlich im Leben des Propheten nur einen kleinen Teil ausgemacht hat, arbeitet der türkische Historiker Resit Haylamaz mit Kollegen an einem umfangreichen Forschungsprojekt, bei dem das gesamte Leben des Propheten rekonstruiert wird.

„Wir erforschen mit einem Expertenteam bereits seit Jahren jeden einzelnen Tag im Leben Muhammeds. Das ist eine aufwendige und mühsame Arbeit. Denn wir können davon ausgehen, dass Muhammed als Prophet insgesamt etwa achttausend Tage gelebt hat.“

In diesen Zusammenhang versuchen die Forscher auch bis in kleinste Detail herauszufinden, wie lange die einzelnen kriegerischen Auseinandersetzungen gedauert haben, die Muhammed selbst angeführt hat.

„Wir haben die Angaben über die einzelnen Kämpfe zusammengetragen und analysiert. Das ist einmal die Schlacht von Badr, die hat etwa drei Stunden gedauert, die nächste von Huneyn dauerte etwa eine Stunden länger. Insgesamt kommen wir zu dem Ergebnis, dass Muhammed, der immer als der große Krieger dargestellt wird, tatsächlich wohl nicht mehr als 13 Stunden in kriegerische Auseinandersetzung verwickelt.“

Dieses Resultat widerlegt also eine Tradition, die Muhammed gerne vor allem als den großen Kriegsherren darstellt. Bülent Ucar unterstreicht sogar die distanzierte Haltung Muhammeds gegenüber jeglicher Form von Gewalt:

„Der Prophet hat sich sehr sehr schwer getan mit dem Griff zur Waffe. Der Islam war in seiner Frühzeit sehr stark geprägt von einer pazifistischen Grundhaltung. Erst in Folge dessen, dass die Muslime aus ihrer Heimatstadt flüchten mussten und auch in Medina drangsaliert wurden, mussten sie quasi darauf reagieren. So waren die allermeisten Kriege, die der Prophet selbst führen musste, Verteidigungskriege. Es gibt auch einige wenige Präventivkriege, aber es ist bei weitem nicht so, dass man von irgendwelchen Angriffskriegen, von bewussten Aggressionen von Seiten der Muslime in Richtung Mekka sprechen konnte. Historisch gesehen haben die Muslime auf die Expansion, auf die Bedrohung der Mekkaner reagiert.“

Konfrontiert man die Ergebnisse der historischen Forschung mit dem Bild, das die radikalen Islamisten von Muhammed oft vermitteln, wird deutlich, welche Absicht sie damit verfolgen. Sie wollen der westlichen Welt damit ihre kämpferische Macht demonstrieren, mit der sie sich in die Nachfolge des Kriegsherrn Muhammed stellen. Und ihre Rechnung geht auf. Bülent Ucar:

„Viele Menschen im Westen sind im Umgang mit dem Islam, mit dem Koran und dem Propheten selbst sehr eingeschüchtert und blockiert.“

Dabei kommt es zu der grotesken Situation, dass nun die Islamfeinde im Westen in dasselbe Horn wie die radikalen Islamisten stoßen und ihrerseits Muhammed auch gerne als Kriegsherrn darstellen, um mit der Verbindung von Islam und Gewalt die Islamphobie anzuheizen.

„Wir haben es zu tun mit verzerrten Bildern im Umgang mit dem Propheten. Der Prophet wird als ein grausamer, gewaltverherrlichender, brutaler, sexsüchtiger, unkultivierter Mensch dargestellt.“

Bülent Ucar erinnert daran, dass es durchaus keine neue Erscheinung im Westen ist, im Islam etwas Feindliches zu sehen.

„Diese einseitigen Schmähungen haben im Grunde genommen große historische Vorläufer in Europa vor allem. Sie gehen zurück bis auf die Zeit der Kreuzzüge. Sie müssen wissen, die ersten Koran-Übersetzer waren Missionare, die mit dem Ziel das Christentum zu verteidigen, den Islam in seine Schranken einzuweisen, diese Tätigkeiten ausgeübt haben. All das, und die Türkengefahr später dann im 16.-17 Jahrhundert – all das hat sich in das kollektive Bewusstsein von diesem Kontinent Europa sehr stark eingeprägt.“

Angesichts der vielen Zerrbilder von Muhammed, die immer wieder in Umlauf gebracht werden, fordert der türkische Historiker Resit Haylamaz auch von den Muslimen mehr Zurückhaltung, wenn es darum geht, die Person des Propheten Muhammad zu beschreiben. Man könne sich eigentlich kein rechtes Bild über seine Persönlichkeit machen, weil es dazu viel zu wenig Hinweise gebe.

„Wir Muslime wissen fast nichts über unseren Propheten. Vieles von seiner Persönlichkeit bleibt uns unbekannt, im Gegensatz zu seinen Taten und der Lehre, die er uns vermittelt. Deshalb sollten wir uns zurückhalten, vereinfachte Bilder über ihn zu verbreiten.“

Erschienen im: Deutschlandfunk