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Türkischer Fußball: José Mourinho spricht von einem „System“ in der Süper Lig

José Mourinho hat die türkische Liga scharf kritisiert. Der Trainer von Fenerbahçe Istanbul sprach von einem „System“ und Personen mit „sehr viel Macht“ in einer „dunklen Liga“. Seine scharfen Worte gefallen nicht jedem.

Mourinho wirkt in der Türkei zunehmend frustriert. Dieser Frust kommt nicht von ungefähr. Die Partie Fenerbahçe gegen Trabzonspor im März 2024 bot ihm eine Kostprobe davon, was ihn erwartet. Ein Spiel, das selbst für die hitzige türkische Liga die Grenzen überschritt.

Seit Jahren sind diese beiden Klubs verfeindet. Daher ist eine angespannte Atmosphäre vorprogrammiert. Die Fans bewerfen die Spieler der Gastmannschaft 90 Minuten lang mit Wasserflaschen.

Der in Bottrop lebende 20-jährige Hamdi Karadeniz ist leidenschaftlicher Fan von Trabzonspor. Er spricht von Provokation durch Fenerbahçe-Spieler. Daher habe ihn die Eskalation wenig überrascht: „Es war mir einfach klar und ich wusste einfach, dass es dazu kommen wird.“

Fenerbahçe gewann mit 2:3. Wenige Minuten nach Abpfiff der Schock. Ein maskierter Trabzonspor-Fan stürmte mit einem Messer auf das Team von Fenerbahçe. Danach gab es Chaos. Immer mehr Trabzonspor-Fans jagten Personen im Fenerbahçe-Dress.

Süper Lig: Mourinho suggeriert dubiose Machenschaften

Vergangenes Wochenende trafen beide Teams erneut aufeinander. Diesmal verlief alles ruhig. Doch Fehlentscheidungen durch die Schiedsrichter ließen ein anderes Fass überlaufen. Trotz Sieg in letzter Sekunde ließ Mourinho bei der Pressekonferenz seinem Frust freien Lauf und suggerierte dubiose Machenschaften in der türkischen Liga.
Als er von einem „System“ sprach, wurde die Übertragung  abrupt beendet. Der Moderator von BeIN, dem katarischen Sender mit den Übertragungsrechten der türkischen Süper Lig, übermalte die Zensur als technische Störung. „Das System hat heute einen Namen. Atilla Karaoglan. Er war der Mann des Tages. Wir haben ihn zwar nicht gesehen, aber er war der Schiedsrichter …“
Durch Eingriffe von Karaoglan, VAR-Referee der Partie, bekam Trabzonspor zwei Elfmeter zugesprochen, Fenerbahce hingegen einen vermeintlichen Handelfmeter nicht. Im Gegenteil zu Mourinho sieht Hamdi Karadeniz aus Bottrop seine Mannschaft benachteiligt und behauptet, „dass die Schiris in der Türkei die schlechtesten Schiris auf der Welt sind.“

Fans wenden sich an deutsche Schiedsrichter

Wie viele Menschen in Deutschland mit türkischen Mannschaften fiebern, stellt auch Ercüment Salman unter Beweis. Er ist Vorsitzender des Vereins Gelsenkirchen Fenerbahce e.V. und hat kein Vertrauen mehr in türkische Schiedsrichter. „Fenerbahçe wird seit Jahren systematisch gemobbt. Unser Trainer José Mourinho hat mit seiner scharfen Kritik absolut recht. Wir müssen jedes Spiel zwölf Mann besiegen. Den Schiri mit eingeschlossen.“
Die Enttäuschung unter den Fans ist greifbar. Deshalb wenden sich in Deutschland sesshafte Fans türkischer Mannschaften via Social Media an deutsche Schiedsrichter. So zum Beispiel an Manuel Gräfe. Der Ex-FIFA Schiedsrichter kommentiert auf X strittige Szenen. Vergangene Saison war der Vertrauensverlust in türkische Schiedsrichter so groß, dass zeitweise ausländische VAR-Schiedsrichter eingesetzt wurden.

Deutscher Schiedsrichter sorgt für Diskussionen

Ausgerechnet Benjamin Brand sorgte im Spiel zwischen Sivasspor und Fenerbahçe als VAR für Diskussionen. X-Nutzer Jens: „Mich würde ihre Meinung interessieren. VAR war Benjamin Brand, es wurde in der 90+7 Minute Elfmeter gegeben, welcher zum 2-2 geführt hat. Mutmaßlich Meisterschaft-entscheidend.“
„Sorry, auch wenn ich den VAR kenne und mag, aber das ist kein Elfmeter. Für so etwas darf es keinen Elfmeter geben. Das wollte nicht mal der Spieler.“ Auch diesmal wurde Manuel Gräfe um eine Bewertung aufgefordert. Die Kritik von Mourinho am ersten Elfmeter für Trabzonspor hält Gräfe für berechtigt. „Minimaler Kontakt nach Torschuss ist kein Elfer“.
Der türkische X-Account „Tartışmalı Pozisyonlar“ mit 160.000 Followern, hat bislang unzählige Schiedsrichterentscheidungen analysiert. Seine Leidenschaft „digitaler Unparteiischer“ habe ihn die Wochenenden der letzten zwei Jahre gekostet. Türkische Schiedsrichter seien nicht per se schlecht. „Nicht alle haben schlechte Absichten. Der Druck ist enorm. Auf und neben dem Platz, in den Medien. Kommentatoren diskutieren zwei bis drei Stunden Schiri-Entscheidungen. Das ist nicht normal.“

Mourinho wird „Anti-Türkei-Propaganda“ vorgeworfen

Bei internationalen Partien könnten sie ihr Talent sehr wohl unter Beweis stellen. Dennoch: José Mourinho bleibt skeptisch wie unklar, wenn er von einem „System“ spricht, oder von Personen mit „sehr viel Macht“ in einer „dunklen Liga“. Mourinho behauptet: „Niemand im Ausland schaut sich diese türkische Liga an. Warum sollten sie? Es ist zu grau, zu dunkel. Es riecht übel hier.“
Türkische Medien reagieren prompt. Für die einen berechtigte Kritik. Andere hingegen werfen Mourinho „Anti-Türkei-Propaganda“ vor. So etwa der Sportjournalist Atakan Kurt im Sender KRT: „Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh doch wieder. Ich lasse nicht zu, dass jemand so respektlos über mein Land, meine Liga, über meine Türkei redet!“
Diese Reaktion wundert den Betreiber von „Tartışmalı Pozisyonlar“ nicht. Das System, von dem Mourinho berichtet, deute sich in gewissen Statistiken an, die er mit mühsamer Arbeit erstellt. Ein besonderes Augenmerk legt er auf die Verteilung gelber oder roter Karten.
„Während Fenerbahçe in der vergangenen Saison die drittmeisten Gelben Karten kassiert hat, belegte Galatasaray mit den wenigsten Gelben Karten den letzten Platz. Seit zwei Jahren bekommt Galatasaray keine Rote Karte im eigenen Stadion und insgesamt haben sie letzte Saison nur eine bekommen. Beim europäischen Wettbewerb hingegen haben sie in nur sieben Spielen vier Rote Karten kassiert. Diese Saison hätte Galatasaray nach zehn Wochen 44 Gelbe Karten erhalten müssen. 20 sind es geworden. Im selben Zeitraum hätte Fenerbahçe 22 Gelbe Karten bekommen müssen, es wurden ebenfalls 20 verteilt.“

Mourinho für ein Spiel gesperrt

Deshalb sei in der Türkei der Begriff der „Karten-Manipulation“ im Umlauf. José Mourinho ist noch für zwei Jahre vertraglich an Fenerbahçe gebunden. Für seine scharfen Worte nach dem Spiel gegen Trabzonspor wurde er vom türkischen Fußballverband (TFF) für ein Spiel gesperrt und mit einer Geldstrafe belegt.
Darüber, ob sich der Portugiese gegen das „System“ durchsetzen kann, wird er zumindest seine über fünf Millionen Instagram-Follower weltweit regelmäßig informieren. Selbst wenn der offizielle Sender der Süper Lig bereits mit der Mourinho-Zensur begonnen hat.