Wer heute an deutsche Islam-Konvertiten denkt, hat sofort Bilder von extremistischen Salafisten vor Augen. Und es ist so: Deutsche Muslime sind vielfach in salafistischen Kreisen unterwegs. Aber es gibt auch deutsche Muslime, die mit radikalem Islamismus nichts zu tun haben wollen. Eine solche Gruppe trifft sich in der Eifel zum Gebet – in der „Osmanische Herberge“.
Von Hüseyin Topel
„Deswegen sind diese ganzen ISIS-Misis Scheytane, sie sind Scheytane, das sind keine Muslime. Sie sind Teufel. Damit setze ich mich gar nicht auseinander. ‚Was halten Sie davon?‘, Teufel!'“
Der deutsche Sufi-Meister Scheich Hassan Dyck grenzt sich von jeder Form des islamischen Terrorismus ab. Hassan Dyck leitet eine muslimische Begegnungsstätte in der Eifel, die sich „Osmanische Herberge“ nennt. Diese Gemeinschaft besteht vor allem aus deutschen Muslimen. Sie setzen auf Sufi-Traditionen und sind inspiriert von Mewlana Nazim el-Hakkani aus Zypern, einem Großmeister des sunnitischen Nakschibandi-Ordens. Mewlana Nazim ist vor zwei Jahren im hohen Alter verstorben. Scheich Hassan Dyck in der Eifel ist einer seiner Schüler. Er erklärt, warum sich die Gemeinschaft „Osmanische Herberge“ nennt:
„Das Osmanische Reich ist bekannt dafür, dass es viele Religionen und verschiedene Völkerschichten unter einem Dach vereinte. Eigentlich Toleranz geübt hat. Weil eben im Islam traditionell eine Toleranz geübt wird. In der Scharia, im islamischen Gesetz ist verankert, dass man mit Christen und Juden zusammenleben kann, mit Taoisten, mit Buddhisten, mit was weiß ich für -Isten man zusammenlebt.“
Die Gemeinschaft der osmanischen Herberge vertritt eine besonders tolerante Auslegung des Koran. Der deutsche Scheich aus der Eifel ärgert sich, dass der Islam heute zu häufig mit grausamen Bildern verbunden wird.
Tradition statt Intoleranz
„Da sind alle dran beteiligt, auch die Muslime selber, weil sie ihre eigene Religion nicht mehr verstehen. Weil sie eben intolerant geworden sind, weil sie ihre Religion nicht mehr leben. Sie leben sie deshalb nicht, weil sie keine Vorbilder mehr haben.“
Vorbilder spielen eine große Rolle im Sufismus, der muslimischen Mystik. Sufis schließen sich seit Jahrhunderten spirituellen Lehrer an. Scheich Hassan Dyck sagt:
„Du musst jemanden haben, der dir ein Beispiel gibt. Eigentlich war immer die Tradition der Meister. Das ist auch zu Ende gegangen, mit dem Ende des Osmanischen Reiches ist diese Idee der Schüler-Meisterschaft bewusst torpediert worden, bewusst bekriegt worden. Getötet hat man die Meister, oder eliminiert, oder ins Exil geschickt. Das geht von der Türkei-Seite aus und von der arabischen Seite, die Wahabiten, die haben vorher schon abgestellt, dass es Scheichs gibt, Meister gibt, die führen können, Heilige und so weiter. Das sind die beiden Faktoren, die den Islam krank gemacht haben.“
In der „Osmanischen Herberge“ wird an diese Tradition angeknüpft. Ahmed Isa Fuchs ist eines der ältesten Mitglieder der Gemeinschaft und erklärt, was ihm an der „Osmanischen Herberge“ gefällt:
„Der Glaube des Islam und dann natürlich unser Weg, der Nakschibandi-Weg. Das bindet uns.“
Komische Heilige
Ahmed Isa Fuchs ist einer der ältesten Weggefährten von Scheich Hassan Dyck. Er sagt:
„Der war einer der Ersten, die ich kennenlernte. Wo wir damals gedacht haben: Was sind das für komische Heilige? Die Heiligen aus dem Morgenland, mit so Turbanen und Mützen und solchen Bärten? Sie waren für uns etwas komisch, oder ich habe ein bisschen gedacht an Don Quixote de la Mancha. Dann haben wir festgestellt – ‚maschaallah‘ – tolle Leute. Von Anfang an sind wir ganz stark verbunden.“
Hassan Dyck ist schon in seiner Jugend zum Islam übergetreten, aber die Bezeichnung „Konvertit“ findet er nicht so passend:
„Ich finde den englischen Ausdruck sehr schön: ‚to embrace islam‘. Das ist eigentlich einer der schönsten Ausdrücke in westlichen Sprachen: Er hat ‚den Islam umarmt‘. Das ist fantastisch, das ist ein super Bild. Konvertit hat mit Wechseln zu tun. Ich habe nicht gewechselt, was soll ich denn wechseln? Ich kann Ihnen Geld wechseln. Aber Religion wechselst du nicht, du machst deine Religion perfekt. Religion auf Arabisch heißt Weg. Und du bist auf dem Weg. Wir glauben an eine Vervollkommnung, dass der Mensch perfekt werden kann.“
Auf der Suche nach seinem persönlichen Lebensweg habe er schon früh den Sufismus entdeckt. Denn die islamische Mystik beschäftigt sich mit den inneren Werten eines Menschen und nicht mit den Dogmen einer Religion. Die Gemeinschaft der osmanischen Herberge trifft sich regelmäßig, und an religiösen Feiertagen. Dazu zählen auch der Freitag und das Freitagsgebet. Anders als in einer herkömmlichen Moschee gibt es in der „Osmanischen Herberge“ nach dem Freitagsgebet eine Gebetsmeditation, so wie es für sunnitische Nakschibandi-Orden üblich ist. Man bildet einen Kreis, singt zusammen und tanzt. So laden sich die Mitglieder spirituell auf.
„Der Prophet hat gesagt: ‚Meine Mission ist nicht, eine neue Religion zu schaffen, meine Mission ist, den menschlichen Charakter zu vervollkommnen. Deswegen bin ich geschickt worden von Gott.'“
Auf Tour mit Hassan „dem Schrecklichen“
Einige Mitglieder der „Osmanischen Herberge“ sind Sufi-Musiker und gehen international auf Tournee. Scheich Hassan Dyck:
„Kommen Sie zu dem Konzert von Hassan dem Schrecklichen. Dort gibt es Humor. Islam mit Humor. Der Prophet hat gelacht, das weiß man. Er hat viel gelacht mit seinen Gefährten.“
Den Beinamen „der Schreckliche“ hat der deutsche Scheich von seinem Sufi-Meister bekommen. Er sagt:
„Hassan der Schreckliche, ja, die Witze von meinem Meister haben natürlich auch immer eine Bedeutung. Das ist eben, dass du dich selber nicht zu ernst nimmst. Wenn du dich selber zu ernst nimmst, dann ist es vorbei. Dann nimmst du dich ernst … ‚Jetzt wird es ernst!‘ So ernst wird es nie. Irgendwann lässt du die Hülle fallen oder die wird dir abgeknöpft und deine Seele entschwindet, dahin, wo sie hergekommen ist.“
Erschienen im: Deutschlandfunk
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